Wie oft hast du das folgende Szenario schon erlebt immer und immer wieder?
Du triffst jemanden, den du seit längerer Zeit nicht mehr gesehen hast und ihr beginnt miteinander zu reden.. Smalltalk eben. Es dauert nicht lange, bis du merkst: Die Person erzählt dir Dinge, die dir längst bekannt sind. Genau dieselben Sätze, dieselben Gesichtsausdrücke, dieselben Situationen. Vielleicht stellt sie sogar Fragen zu etwas, das du ihr vor langer Zeit anvertraut hast, zum Beispiel zu einer alten Kennenlernphase, die du damals nur am Rande erwähnt hattest. Und obwohl dieses Gespräch Monate oder sogar Jahre zurückliegt, fällt der Person offenbar nichts Aktuelles ein. Es muss wieder um genau diese alte Geschichte gehen.
Aber warum ist das so? Warum scheinen so viele Menschen in der Vergangenheit stehen geblieben zu sein unfähig, sich mit neuen Themen auseinanderzusetzen? Warum drehen sich ihre Gedanken ständig im Kreis, immer um das Alte, das längst Vergangene?
Genau das habe ich gestern erlebt nicht bei einer Person, sondern gleich bei drei, denen ich im Laufe des Tages begegnet bin. Alle drei erzählten mir Dinge, die für mich keinen Sinn mehr ergaben. Alles war bezogen auf die Vergangenheit. Ich hörte dieselben Sätze, dieselben Denkweisen, die ich schon so oft gehört hatte.
Es gibt verschiedene Studien, die sich mit Kommunikation beschäftigen und uns helfen können zu verstehen, wie wir Menschen kommunizieren und welche Fehler wir dabei machen. Eine dieser Theorien ist die vom sogenannten "blinden Fleck". Kurz gesagt beschreibt dieser blinde Fleck ein Muster, das sich in unserer Kommunikation wiederholt sei es im Gespräch mit anderen oder in unserem eigenen inneren Monolog. Es sind wiederkehrende Worte, Sätze oder Reaktionen, die wir unbewusst immer wieder verwenden. Der Knackpunkt daran ist: Wir selbst nehmen diese Muster nicht wahr. Darum "blinder Fleck".
Ich habe viel darüber nachgedacht und ja, ich stimme teilweise zu. Ich denke, wir alle beginnen in jungen Jahren mit solchen blinden Flecken. Sie geben uns Halt, helfen uns, etwas sagen zu können und uns in Gesprächen sicherer zu fühlen. Als junge Menschen haben wir wenig Lebenserfahrung, unser Kopf ist noch leer von Gedanken, Ideen und Erlebnissen. In dieser Phase ist ein blinder Fleck sogar hilfreich er bietet eine Art sprachliche Stütze, auf der spätere Erfahrungen aufbauen können. Doch abgesehen davon gibt es noch einen anderen Grund für das beschriebene Verhalten. Einen, der dem blinden Fleck ähnelt, aber nicht dasselbe ist: Die so genannte Stagnation.
Viele Menschen entwickeln sich geistig einfach nicht weiter. Sie halten ihr ganzes Leben lang an denselben Gedanken, Sichtweisen und Themen fest. Ob das bewusst oder unbewusst geschieht, lässt
sich schwer sagen. Ob es gut oder schlecht ist darüber kann man streiten. Es ist wohl Ansichtssache.
Ich persönlich finde es bedenklich. Ich bin der Meinung, dass wir Menschen uns weiterentwickeln müssen mit den Jahren, mit unseren Erfahrungen, mit dem Leben selbst. Ich bin nicht mehr dieselbe, die ich früher war und das ist gut so. Ich bin gewachsen. Meine Gedanken, meine Themen, meine Perspektiven haben sich dem Alter, der Zeit und meiner Lebenssituation angepasst. Ich kann nicht über alte Geschichten sprechen, als würden sie mich noch definieren weil sie es einfach nicht mehr tun. Und genau deshalb fehlt mir oft das Verständnis für Menschen, die innerlich stehen geblieben sind.
Ich habe mit der Zeit gelernt, dass man mit manchen Menschen nicht wirklich reden kann. Und das ist einer der Gründe, warum ich schreibe. Denn Menschen leben oft in ihrer eigenen Welt mit ihren eigenen Gedanken, Blickwinkeln und Wahrheiten. Genau wie ich. Und um echte Gespräche führen zu können, braucht es Wissen, Offenheit, Neutralität und die Weisheit, anderen Meinungen Raum und Wert zu geben. Doch genau das können die wenigsten. Denn wie man so schön sagt: Reden will jeder. Zuhören? Kaum jemand.
Was also tun, wenn du auf jemanden triffst und merkst, dass sich diese Person seit Jahren nicht weiterentwickelt hat? Wenn sie keine neuen Gedanken, keine frischen Impulse, keine Themen
mitbringt, die dich berühren oder zum Nachdenken bringen? Du respektierst sie, ja. Aber du hältst sie auf Abstand.
Denn es bringt nichts, sich mit Menschen auszutauschen, wenn daraus keine bereichernde Erfahrung entsteht. Es bringt nichts, wenn dir ein Gespräch nichts schenkt keine Erkenntnis, keine Freude,
kein Wachstum.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Nicht jedes Gespräch ist ein Austausch. Nicht jede Begegnung führt weiter. Und nicht jeder Mensch, der dir einst nah war, gehört auch heute noch in dein Inneres. Doch das ist in Ordnung. Denn Entwicklung bedeutet auch, loszulassen nicht aus Arroganz, sondern aus Selbstschutz. Aus dem Wunsch heraus, in Bewegung zu bleiben, lebendig zu bleiben, echt zu bleiben.
Manche bleiben stehen, weil sie nicht anders können. Und andere gehen weiter, weil sie nicht anders können.